Sprachassistenten spielen im Leben der Menschen eine immer größere Rolle. Im Weihnachtsgeschäft waren Amazons Alexa und Googles Home-Assistent der große Renner. Eine Entwicklung, die auch traditionelle Medien im Blick haben sollten. Schließlich sind die Helfer nicht nur im Begriff, in den täglichen Routinen ihrer Besitzer einen festen Platz zu finden. Sie knabbern zudem am Zeitbudget, mit dem sich Nutzer zuvor anderen Medien zugewendet haben.
Eine Studie des Verbunds der öffentlichen Radios in den USA („National Public Radio – NPR“) zeigt jetzt Einzelheiten dieser Entwicklung auf. Die nichtkommerziellen Radios ließen etwas mehr als 1000 Menschen (18 Jahre oder älter) telefonisch und gut 800 Menschen online befragen, wie sie im Detail ihre Sprachassistenten nutzen. Und, noch wichtiger: Sie fragten, welche klassischen Dienste sie in Folge dessen nicht mehr nutzen. Sprich, welche klassischen Medien tendenziell durch Alexa und Co. unter Druck geraten. Die telefonische Befragung fand in der letzten Dezember-Woche des Jahres 2017 statt, die Onlinebefragung in der zweiten Novemberhälfte.
Die wichtigsten Ergebnisse: Es waren 16 Prozent der Befragten, die überhaupt einen smarten Lautsprecher besitzen. Hochgerechnet auf alle US-Amerikaner über 18 sind das 39 Millionen Menschen. Untersuchungen gehen davon aus, dass diese Entwicklung noch rasant an Fahrt aufnehmen wird. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2022 mehr als die Hälfte der amerikanischen Haushalte über einen Smart Speaker verfügt.
Der NPR-Studie zufolge verändern die intelligenten Boxen rasch das Verhalten ihrer Besitzer in Bezug auf ihre Mediennutzung und lassen neue Gewohnheiten entstehen. 39 Prozent der Befragten sagen, dass die Zeit, in der sie sich mit Alexa und Co. beschäftigen, auf Kosten ihrer früheren Radio-Nutzung geht. 34 Prozent sagen, dass die smarten Lautsprecher die Smartphone-Nutzung, Zeit vorm Fernseher (30 %), Tablet (27%), Computer (26%) beziehungsweise Zeit mit der Zeitung (23%) ersetzen.
Mehr als die Hälfte der Befragten geben an, dass sie die Sprachassistenten nach dem ersten Monat häufiger nutzen als zu Anfang. Das spricht also dafür, dass Alexa kein Strohfeuer des Interesses auslöst, das schnell wieder erlischt. Die intellgenten Lautsprecher scheinen sich tatsächlich einen festen Platz im Leben der Menschen zu erobern.
Interessant ist, was genau die Menschen mit ihren smarten Speakern veranstalten. Die Nutzung am Morgen dürften vor allem Radioleute als bedrohlich empfinden. Die Top-Drei-Fragen, die Nutzer ihren Geräten zwischen 5 Uhr und 9 Uhr stellen, sind die nach:
- Verkehr
- Wetter
- Nachrichten
Das sind genau die Nutzer-Bedürfnisse, die auch auf den Listen der Macher von Radio-Morningshows ganz oben stehen. Noch ist der Kampf nicht entschieden, doch sollte sich herausstellen, dass Nutzer die On-Demand-Dienste von Alexa tatsächlich mehr zu schätzen wissen als den Content der klassischen Anbieter, könnte es gefährlich werden für die Radios. Dass laut der Studie mehr als die Hälfte der Nutzer stark daran interessiert ist, die Sprachassistenten-Technologie auch ins Auto einzubauen, macht die Sache aus Sicht der Radiomacher nicht besser.
Und wie sieht die richtige Reaktion aus? Viele Radioverantwortliche haben zumindest gemischte Gefühle, wenn es darum geht, mit eigene Anwendungen („Skills“) auf der Alexa-Plattform vertreten zu sein. Die Simulcasts, also die eins zu eins live durchgeschleiften Programme, sind über Plattformen wie TuneIn ohnehin von vielen Sendern auf Alexa verfügbar. Zahlreiche Sender stellen über eigene Skills auch einzelne Programmelemente wie Nachrichten, Comedys oder ausgesuchte Beiträge on demand zur Verfügung.
Dabei ist viel Unsicherheit Spiel. Die Online-Chefin des niedersächsischen Privatradiosenders ffn sagte dem NDR-Medienmagazin „Zapp“, dass die zusätzliche Reichweite über Geräte wie Alexa natürlich verlockend sei: Die Abrufe des Programms über den ffn-Skill hätten sich von Juli bis November 2017 verdoppelt. Allerdings produziere Amazon auch eigene Inhalte wie Podcasts, Nachrichten und habe Audio-Liverechte für die Fußball Bundesliga. Das sei „natürlich eine Konkurrenz“ fürs eigene Produkt.
Unter anderem treibt Radiomacher die Sorge um, auf einer Plattform wie der von Amazon nicht mehr als Marke wahrgenommen zu werden. Welchen Sender hat ein Nutzer gehört, wenn er sich die Nachrichten vom Deutschlandfunk vorlesen lässt, Alexa dann nach dem Wetter in seiner Region fragt, zwei seiner Lieblingssongs von Spotify hört, einen Stau-Skill nach dem Verkehr auf seiner Autobahn fragt und dann noch schnell eine Comedy von Sender xy hört, ehe die Fußball-Übertragung von Amazon beginnt?
In dieser Gemengelage zu punkten, wird eine der Herausforderungen der Zukunft sein. Sprachassistenten sind auf dem Vormarsch. Und dort vertreten zu sein, wo die Menschen sind, ist eine nachvollziehbare Motivation von Radioleuten, Alexa mit Content zu füttern. Die Aufgabe wird sein, allen Schwierigkeiten zum Trotz als Marke wahrnehmbar zu bleiben. Es gilt, Inhalte zu schaffen, die Nutzer lieben. Und auf die sie nicht verzichten wollen – ganz gleich, wie die Plattform heisst, auf der sie ausgespielt werden.
Chris Berdrow
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