Die with me

Natürlich wollen wir Journalisten überall dort unterwegs sein, wo unsere Leser, Hörer, Zuschauer, „User“ sind – und haben deshalb neue Kommunikationsplattformen auf dem Radar. Manchmal staunen wir. Wer denkt sich sowas aus? Entdeckt im App-Store von Apple: „Die with me“ („Stirb mit mir“). Der letzte Schrei für den letzten (digitalen) Schrei.

„Die with me“ ist eine Chat-App, die man nutzen kann, wenn der Akku des Smartphones oder Tablets nur noch zu fünf Prozent (oder weniger) geladen ist. Und zwar nur dann. User der App können dann in einen einzigen großen Chat-Raum eintreten und mit Schicksalsgenossen kommunizieren. Was man dort tun kann? „Die together on your way to offline peace“, schreiben die Entwickler in ihrer Beschreibung. Online gemeinsam sterben, ehe der Akku schlapp macht und uns ins digitale Jenseits befördert. In die Offline-Welt. Die Älteren unter uns kennen es als das normale Leben.

Natürlich kann man das alles als Unfug abtun, aber irgendwie spannend ist der Gedanke ja doch. Da werden Menschen in einen Topf geworfen, die ein scheinbar zufälliges, beiläufiges „Schicksal“ miteinander teilen: Der Akku ihres Handys ist fast leer. Welche Menschen man in solch einem Chatraum wohl trifft? Die Hasardeure, die stets den Nervenkitzel suchen und Grenzen immer bis zum Limit ausreizen? Die Geschwindigkeit eines Autos in der Kurve, die Geduld eines Verhandlungspartners bei Geldgeschäften – und eben auch die Leistungsfähigkeit eines Smartphone-Akkus? Oder treffen wir die Behäbigen und Gedankenlosen? Schluris, die einfach alles verpeilen und jeden zweiten Tag stundenlang offline sind, weil sie gar nicht merken, dass das Handy keinen Saft mehr hatte.

Und wen treffen wir in diesem Chatraum nicht? Die Gewissenhaften, die ihr Handy schon als leer betrachten, wenn der Akku unter die 30-Prozent-Marke rutscht. Spiesser, die zur Sicherheit stets zwei Powerbanks in der Aktentasche haben, um Ausfälle zu vermeiden.

Für alle Ertrinkenden im digitalen Ozean gibt es jetzt jedenfalls „Die with me“. Eine witzige Idee, die zum Nachdenken anregt. Wir ahnen aber, dass die Chats dort häufig unbefriedigend enden könnten. Im Akku-Down-Chat dürften gerade die wichtigen Sätze einfach abgeschn

Chris Berdrow

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